Basel. Matthias Müller, der Gründer der heutigen Baloise Session, vormals Rheinknie- und Avo Session, ist in der weiten Welt, gekommen. Viele wichtige Player im Musikgeschäft hätten vom Basler mit dem leisen Enthusiasmus und den grossen Überredungskünsten gehört, lange bevor sie ihm persönlich begegen. "Ich bin von Agenten schon als der "weltbekannte Matthias Müller" begrüsst worden", freut sich der 49-jährige Müller beim Treffen in den Büros der Baloise Session an der Kleinbasler Grenzacherstrasse. "So etwas mag schon als Scherz gesagt sein, zeugt aber doch vor Respekt, den die Branche uns und unserem Festival entgegenbringt."
Respekt is die härteste Währung in der Konzertbranche, das weiss Müller nur zu gut. Aus Respekt wächst Vertrauen, der zweite Pfeiler, auf dem Partnerschaften beruhen. Ohne Respekt für und Vertrauen in Müller und sein Team würden die grossen Kunstleragenturen in London, New York und Los Angeles ihre wichtigsten Klienten kaum einem Festival mit so kleiner Publikumskapazität anvertrauen. Und auch nicht Verträge abschliessan, bei denen es schon mal um weitaus tiefere Gagen geht, als sie einzufordern gewohnt sind. "2013 haben wir Eric Clapton viel billiger bekommen, als für ihn üblich ist", so Müller. "Sonst kosten zwei Konzerte mit ihm so vie! wie unser ganzes Budget."
Anfangs Funk, Soul und Jazz
Gelernt hat Müller sein Veranstalterhandwerk bei den Besten. Bei André Béchir von der Zürcher Konzertagentur Good News: Als dieser die Rolling
Stones 1982 ins alte St.-Jakob-Stadion brachte, arbeite Müller hinter den Kulissen bis zur Erschöpfung. Und bei Miles Davis, den Matthias Müller 1988 für die dritte Rheinknie-Session verpflichten konnte: "Miles Davis war der bestorganisierte Künstler, den war bis anhin gehabt hatten. Seine Crew hat uns vor Augen geführt, welch hohen Standards wir genügen müssen, wenn wir in diesem Geschäft bestehen wollen." Um den Jazz-Giganten Davis buchen zu können, mussten die Basler seiner Agentin eine Defizitgarantie unterbreiten.
Heute legen Müller und Festival CEO Beatrice Stirnimann die Rahmenbedingungen fest, zu denen die Künstler an der Baloise Session auftreten. "Unsere Offerten haben auf einem A4-Blatt Platz", erklärt Müller. "Geht ein Agent auf unsere Konditionen ein, macht es nichts, wenn nach der Buchungsbestätigung kine ausführlicher Vertrag mehr folgt. Unsere Offerten sind so klar formuliert, dass sie für jedermann gut nachvollziehbar sind und kein Jurist sie zerpflücken kann." Bei Verhandlungen mit Künstlern, Agenten, Sponsoren und Gönnern setzt Müller auf Transparenz: "In diesem Geschäft muss man viel Sitzleder beweisen, genau zuhören können und immer wieder Ideen entwickeln, wie man neue Partner für sich gewinnen kann. Ich sage aber auch immer klar heraus, wenn etwas nicht möglich ist. Dann entwickelt sich ein Klima des gegenseitigen Vertrauens."
Waits und Dylan auf Wunschliste
Die Rheinknie-Session konnte nur florieren, weil das Festival eine Nische im Schweizer Konzertmarkt für sich entdeckt hatte. Mitre der 80er-Jahre hatte der Leader Good News begonnen, die Sparten Funk, Soul und Jazz zu vernachlässigen, so kam das junge Festival früh an Künstler wie Miles Davis, Nina Simone, James Brown und Ray Charles heran. "Dieser Hintergrund ist die Basis unseres Renommees", sagt Matthias Müller. "Wenn junge Künstler wie John Legend oder Alicia Keys erfahren, dass ihre Helden bei uns aufgetreten sind, kommen sie ins Staunen."
Zentraler Bestandteil der Verträge, die Müller und Stirnimann den Agenten vorlegen, sind die Fernsehrechte an den zu spielenden Konzerten: Fünf Jahre verwalten die Festivalmacher die Übertragungsrechte, die Nutzung im Internet hat dagegen kein Verfalldatum. "Bei uns gilt der Leitsatz 'no TV - no show'. Da machen wir keine Ausnahmen - auch wenn es manchmal wehtut, einen Künstler gerade wegen der Fernsehrechte nicht zu kriegen."
Hoch auf der Wunschliste der Baloise Session stehen Bob Dylan und Tom Waits, beides notorisch schwierige Verhandlungspartner. Die Festival Crew träumt auch davon, die Rolling Stones einmal nach Basel zu bringen. "Ganz realistisch ist dieser Traum nicht", sagt Müller. "Gleichzeitig sind
schon viele unserer Träume in Erfüllung gegangen, und die Stones treten auch immer wieder vor kleinem Publikum auf. Damit sie das bei uns tun, müssten viele Faktoren wie das Timing und die Finanzierung stimmen. Falls das mal alles zusammenkommt, müssen wir sofort marschbereit sein."
Vor zwölf Jahren übergab Müller das operative Geschäft an Beatrice Stirnimann, heute nimmt der Festivalgründer nicht einmal mehr an den wöchentlichen Teamsitzungen teil. Er sei nur noch fürs Strategische zuständig, sagt er, und für den Kontakt zu Künstlern und Agenten. "Das Musikgeschäft ist ein Personengeschiift", sagt Müller, "trotzdem darf man die familiären Beziehungen nicht überbewerten, die man im Lauf der Jahre aufbaut. Manchmal wird man von Leuten enttäuscht, mit denen man sich bisher bestens verstanden hat. Neben den Musikern sind Manager, Agenten, Tonträgerfirmen, Rechtebesitzer, TV-Sender und andere Berater im Spiel, das macht Verhandlungen äusserst komplex."
Erfahrung im Problemlösen
An Konzerttagen ist Festival-CEO Beatrice Stirnimann die zentrale Anlaufstelle für Kunstler, Techniker und Caterer. Matthias Müller braucht den "Wahnsinn auf dem Festivalareal" nach eigener Aussage schon lange nicht mehr. So hält er Stirnimann vom Büro aus den Rücken frei und kommt erst gegen 18.30 Uhr und dafür mit geladenen Batterien in die Event-Halle.
Und greift nur dann ins Geschehen ein, wenn Probleme auftauchen, bei denen seine lange Erfahrung als Veranstalter den Ausschlag geben kann. "Man sagt mir, dass ich in solchen Momenten richtig aufbluhe", erklärt Müller mit Stolz. "Ich diskutiere dann nicht den jeweiligen juristichen Sachverhalt. Ich suche nach einer Lösung, damit die Show pünktlich anfangen kann."
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